Der Aufstieg der Grünen

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Dieser Artikel erschien zuerst in der Flaschenpost.

Zunächst einmal als Randbemerkung vorweg: ein großer Teil der Wähler wählt nach Themenbereichen, und nicht weil konkrete Lösungsvorschläge einer Partei so toll sind. Dass gleichzeitig Mindestanforderungen erfüllt sein müssen, wie Wählbarkeit und Vertrauen in die Personen, ist selbstredend. Mehr dazu findet sich hier.

Nachdem es sich in Umfragen bereits abzeichnete, konnten die Grünen bei den Landtagswahlen in Bayern und auch in Hessen deutliche Gewinne für sich realisieren. Man kann nun politikwissenschaftlich werden, oder über die Schwäche der anderen Parteien reden, was alles bestimmt auch eine Rolle spielt und nicht falsch ist. In meinen Augen ist der wichtigste Grund aber recht banal.

Innerhalb der Grünen wurde in den letzten vier Jahren erfolgreich der Weg weg von der „Verbotspartei“ gegangen, indem deutlich weniger dieser bevormundenden Botschaften gesendet wurden, und stattdessen hat man medial – siehe Wahlkampfclip BTW17, „Abgase runter, Temperatur runter, Mundwinkel rauf“ – auf den Themenbereich Umwelt und Nachhaltigkeit gesetzt. Verbote auszurufen oder allgemeines Ablehnen anstatt positiver Botschaften sind immer ein Showstopper und nichts, was generell für Sympathien sorgt.

Aber gleichermaßen haben die Grünen ihre Positionierung beibehalten und mussten lediglich warten, bis das Thema „Nachhaltigkeit“ scheinbar wie von selbst an Relevanz gewann. Dass in den letzten sechs bis zwölf Monaten die Themen „Dieselskandal“, Klimaschutzabkommen und Hambacher Forst die Medien dominierten, war der eigentliche Grund. Es wurde bei den Menschen ein Gefühl von Dringlichkeit vermittelt, dass nun endlich etwas getan werden muss. Für die Umwelt, für die Kinder, für die Welt… Das Aufkündigen des Klimaschutzabkommens durch die USA schaffte ein gemeinsames Feindbild, die laschen Grenzwerte, die die Bundesregierung in Brüssel durchsetzte, verstärkte den Alleinvertretungsanspruch bei diesem Thema in der Parlamentslandschaft. Der Dieselskandal sorgte durch die Betroffenheit dafür, dass aus einem abstrakten Thema etwas konkretes wurde. Mit einem Mal hatten Menschen wirklich Konsequenzen zu tragen, die auf ihre Lebenswirklichkeit Einfluss haben. Und die Proteste im Hambacher Forst, so scheinheilig die Teilnahme der Grünen dort auch wahr, verfestigte das Bild, erinnerte an den „Gründungsmythos“ und die Kraft aus der Anti-AKW-Zeit und lieferte mit den Bildern von Sitzblockaden im Wald die tribalen Elemente für ein „jetzt gemeinsam Handeln“, das den Grünen nicht nur eine scheinbare Handlungsbereitschaft nahelegte, sondern auch das „Betroffenheits-Narrativ“ mit dem entsprechenden Drama unterlegte.

Nochmal zum Anfang. Parteien besetzen Themenbereiche: die FDP „Wirtschaft“, die Linken „Arbeit und Armut“, die Grünen „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“, die AfD „Migration“. Wer sagt, man müsse mal mehr für Arbeit und gegen Armut tun, der wählt dann die Linken. Ohne Kenntnis darüber, ob die Konzepte nachhaltig zu Beschäftigung führen oder einen Weg aus der oder gegen die Armut ermöglichen. Vor Wahlentscheidungen wird Komplexität reduziert.

Und wenn aus einem Zeitgeist und medialer Verfügbarkeit heraus den Menschen deutlich und dringlich gemacht wird, wie relevant das Thema „Nachhaltigkeit“ nun sei, dann wählen eben mehr Leute grün. As easy as that. Keine Zauberei. Keine besondere politische Cleverness, nicht weil dort so tolle Menschen sind. Einfach weil sie das Thema über Jahre gekonnt besetzt und verteidigt haben.

von Sebastian Alscher